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Die Macht der Daten

·515 Wörter·3 min

Rasant entwickelt sich die Welt der Technik und insbesondere das Informationszeitalter schreitet in Sprüngen voran, die ihresgleichen suchen. Vor einem Jahrzehnt noch größtenteils Neuland herrschen im Internet jetzt SaaS-Giganten und AI-Unternehmen. Ermöglicht wird das nur durch die große Bequemlichkeit und Effizienz von Datenstrukturen.

Das hat auch Autor Andreas Eschbach erkannt. Vor seinem literarischen Erfolg war er im Bereich von Datenbanken unternehmerisch tätig und hat dieses Wissen in sein Buch „NSA – Nationales Sicherheits-Amt“ verwertet. In der alternativen Realität wurden die Computer früher erfunden – bereits vor dem Ersten Weltkrieg und spielen in der Weimarer Republik und besonders im Dritten Reich eine wichtige Rolle. Was, wenn SS und Himmler mit den heutigen Werkzeugen jüdisches Leben verfolgen hätten können? Wenn jeder ein Handy hat, das getrackt wird, Einkäufe mit Karte getätigt werden und so rückverfolgbar sind?

Eschbach hat mit dem Thema wieder einen Volltreffer gelandet. Man spürt es ihm regelrecht an, wie viel Freude er damit hat, Teile der Struktur und Sprache des Internets neuzuerfinden. Im Dritten Reich hätte es wohl kaum „World Wide Web“ geheißen, sondern „Weltnetz“, und „Structured Query Language“ wäre „Strukturiere Abfrage Sprache“. Vor allem aber kann mit ein totalitärer Staat mit totaler Überwachung und einer technisch unerfahrenen Bevölkerung viel Schandtaten betreiben. Im Buch wird schnell klar, warum auch Personen, die vermeintlich nichts zu verheimlichen haben, ins Kreuzfeuer der Daten kommen.

Dies alles erleben wir durch die Sicht von zwei Mitarbeitenden des Nationalen Sicherheits-Amts, dem NSA, dem Ort wo alle „Datensilos“ zusammenkommen und Auswertungen für polizeiliche Ermittlungen oder eben Judenverfolgung erstellt werden. Helene Bodenkamp, eine junge Programmiererin, versucht ihr Bestes, dem Irrsinn Grenzen zu stecken und wenigstens einige Opfer durch geschickte Manipulation der Daten vor dem Schlimmsten zu schützen. Ganz anders benutzt Eugen Lettke seine Möglichkeiten, um persönlichen Gewinn aus den Daten zu ziehen: Mit belastendem Material erpresst er Frauen zu Sex. Ein interessantes Setting mit kontrastreichen Charakteren, was soll da noch schiefgehen?

Leider liest sich die Umsetzung deutlich zäher als man zunächst glauben würde. Die Mitte und besonders das dritte Viertel leiden unter fehlendem Fortschrittsgefühl. Die Handlung bewegt zwar die Charaktere, aber mich als Leser weniger. Die gesellschaftliche Erwartung an Frauen zu heiraten und Kinder zu gebären, steht ohne Bezug zu den Themen der Überwachung. Besser wird es im aufwühlenden und abenteuerlichen Finale, das ich natürlich nicht vorwegnehmen werde. Nur so viel sei gesagt: Es lohnt sich durchzubeißen.

Insgesamt aber hat mich dieses Buch bewegt und geprägt. Manchmal braucht Geschichte durch die Brille des Was-Wenn, um den Schrecken richtig zu verstehen. Denn wenn wir nachvollziehen, wie weit Rassenkunde und Eugenik gegangen wären, dann können wir fassen, wie krank das Gedankengut des Nationalsozialismus wirklich ist. Vor allem aber zeigt es, dass es auch einer gesunden Demokratie geboten ist, Datenbestände zu minimieren. Denn auch unschuldige Daten von heute können morgen einem totalitären Regime zeigen, wer früher mal nach Öffnungszeiten von Moscheen oder Synagogen gesucht hat oder vor dem Machtwechsel einen Protestaufruf geteilt hat. Die Überwachung besteht schon, nur der Posten des Überwachers ist noch frei. Wenn aber böswillige Akteure unsere angesammelten Daten bekommen und mit ihren KIs auswerten, dann gnade uns Gott.

7.3 10